Autoren: Alecke, B., Untiedt, G.
2001

Hrsg.: Riedel, J., Untiedt, G.: EU-Osterweiterung und deutsche Grenzregionen. Teilprojekte ifo-Dresden Studien 28/II , S. 385-422

Im Zuge der EU-Osterweiterung wird es zur Freizügigkeit der Arbeitskräfte aus den MOEL-Beitrittsländern kommen. Neben der dauerhaften Wanderung (Migration), die für die gesamte „alte“ EU und besonders für Deutschland und Österreich bedeutsam ist, werden die Grenzregionen zusätzlich von der grenzüberschreitenden Pendelwanderung betroffen sein, da es sich wegen des großen Lohngefälles im Westen gut verdienen und aufgrund der niedrigeren Lebenshaltungskosten in den Beitrittsländern Polen und Tschechien günstig leben lässt. Ein hohes Pendleraufkommen könnten in den grenznahen deutschen Regionen das Arbeitskräfteangebot spürbar erhöhen und – so wird vielfach befürchtet – zu einer Verdrängung heimischer Arbeitskräfte und einer Erosion des regionalen Lohnniveaus führen.

Daher wird in diesem Teilprojekt eine Prognose des Pendlerpotentials aus Polen und Tschechien für den deutschen Grenzraum erstellt. Im Vergleich zur Migrationsforschung fällt die theoretische wie empirische Literatur zum Pendelverhalten weitaus weniger umfangreich aus. Gegenwärtig existiert auch kein empirisches Modell, welches für die Analyse und Prognose des Aufkommens an Pendlern genutzt werden kann. Die innerdeutsche Pendelwanderung von Ost- nach Westdeutschland scheint ein geeignetes Analogieexperiment zu sein. Die deutsche Wiedervereinigung ist eine der wenigen historischen Situationen, in der es nach einer Grenzöffnung zu einer sofortigen Freizügigkeit der Arbeitskräfte gekommen ist und gleichzeitig ein ausgeprägtes Lohngefälle zwischen den Regionen bestand. Auf der Grundlage dieser Annahme wird ein empirisches Gravitationsmodell des Pendelns zwischen Ost- und Westdeutschland formuliert und geschätzt. Die mit diesem Analogieexperiment ermittelten Ergebnisse werden als Basis für Potentialschätzungen des Pendleraufkommens aus Polen und Tschechien in die deutschen Grenzregionen genutzt.